Tere! Tere! Tere!
Wollte mich eigentlich schon seit ein paar Tagen wieder bei euch melden… aber ich bin gerade ganz schön viel unterwegs, was man bei einer 22.000 Einwohnerstadt ja kaum glauben mag, aber hier wird uns, denke ich, nicht so schnell langweilig. Und ich fühle mich hier einfach nur Pudelwohl: hab jetzt auch einen seeeeeeeehr netten Franzosen aus Toulouse kennen lernt, der auch in Viljandi seinen Freiwilligendienst macht! :-)!!! Kann also endlich wieder französisch snakken. Gestern Abend waren wir auf der Geburtstagsparty von Valentina (einer italienischen Freiwilligen) und haben ein paar französische, portugiesische, deutsche und spanische Freiwillige aus Tallinn & Co. kennen gelernt. In Viljandi trifft sich die Welt (hab vor kurzem auch zwei Australier getroffen… aber darüber auch noch zu schreiben wird glaube ich ein bisschen zu viel).
Jetzt aber erstmal von vorn:
Man mag es kaum glauben, aber der Fabian hat es heute tatsächlich geschafft sich zwei estnische Wörter länger als zwei Minuten zu merken… muss nur noch mal kurz nachschauen wie sie heißen… ach ja „Ilusat nädalavahetust!" (Betonung auf der ersten Silbe). Das heißt übersetzt „Schönes Wochenende!". Und ich durfte es gerade zum ersten Mal sagen, da meine erste Arbeitswoche nun zu Ende ist! Bin zwar ganz schön müde und kaputt, werde dafür aber auch in meinem persönlichen Kombinationswunschprojekt eingesetzt: im Kindergarten des Lasteabi- ja Sotsiaalkeskus („Kinderhilfs- und Sozialzentrum"). Meine beiden Mitbewohner arbeiten auch im Lasteabi- ja Sotsiaalkeskus, allerdings in anderen Projekten (z. B. in einer Wohngruppe für behinderte Jugendliche).
Die sieben Kindergartenkinder werden von drei Mitarbeitern und nun auch von mir^^ betreut und sind von leicht bis schwer geistig und körperlich behindert. Ich werde euch das nächste Mal auch ein paar Zeilen zu den Kindern schreiben, wenn ich mehr über die Behinderungen weiß: Die Mitarbeiterinnen reden mit mir nämlich fast ausschließlich Estnisch bzw. ziemlich gebrochenes Deutsch und Englisch… Auf Estnisch über die Behinderungen der Kinder zu sprechen ist mir deshalb noch nicht wirklich gelungen. ^^ Die Betreuerinnen sind aber unheimlich lieb, witzig und hilfsbereit und bemühen sich inständig darum mir Estnisch beizubringen. Womit wir auch wieder bei den Vorurteilen über die angeblich so Körperkontaktscheuenden und verschlossenen Esten wären: Ich selbst werde nämlich jeden morgen erstmal umarmt und gefragt, wie's mir geht (was die Esten laut zahlreicher Reiseführer nur bei seeeeeeeehr guten Freuden fragen). Und das in Estland angeblich so unpopuläre „Danke
" wird zumindest in meinem Projekt bei fast jeder Gelegenheit gesagt.
Ich arbeite von Montag bis Freitag 8 bis ca. 13 Uhr, demnächst auch parallel in einem zweiten Projekt mit älteren Kindern. Da in diesem Projekt derzeit aber noch eine Praktikantin ist, arbeite ich jetzt erstmal im Kindergarten: Ist vermutlich auch besser so, weil ich noch ein paar Tage oder auch Wochen brauchen werde, um die Kinder einigermaßen einschätzen und wirklich kennen lernen zu können. Das Tagesprogramm im Kindergarten sieht ungefähr so aus:
7.45-8.30 Uhr: wach werden & spielen
8.30-9 Uhr: Frühstück
9 – 10 Uhr: Spielen
10 – 10.30 Uhr: Morgenkreis
10.30 – 11 Uhr: Singen, Basteln, „Unterricht"
11 – 11.45 Uhr: Spielen, Spazierengehen
12 – 12.30 Uhr: Mittagessen der Mitarbeiter / Betreuer
12.30 – 13 Uhr: Mittagessen der Kinder
danach: Mittagsschlaf
Ich selbst spiele hauptsächlich mit den Kindern (Taschentuchpusten, Puzzeln, Ballspiele & Co.) und gehe mit ihnen spazieren. Ansonsten helfe ich beim Essen bzw. passe darauf auf, dass sie (überhaupt) essen und helfe eben beim An- und Ausziehen, Auf-Toilette-Gehen, Windelnwechseln, Zähneputzen usw. Und ich singe (viel!). Habe eins der Kinder mit „Hänschen klein" neulich sogar so weit bringen können, dass es ruhig auf der Toilette sitzen bleibt… alternativ singe ich die schwedische Nationalhymne. Um wenigstens ein paar estnische Lieder zu lernen sind Inga (meine Mitbewohnerin) und ich am Montagabend ins Kulturzentrum zum „Singen" gegangen, natürlich auch in der Hoffnung, unsere ersten estnischen Freunde zu angeln. Das Singen ähnelte aber dann eher einem Meditationsritus von Anhängern lokaler Naturreligionen als einer Chorprobe: Vorne saßen zwei Männer mit Bart und davor lagen mehrere Teppiche in einem Kreis. Drum herum standen noch ein paar Stühle und der R
aum war so im Holz-Stein-Blockhütten-Stil… na ja… Mann 1 redete erstmal ein paar Sätze auf Estnisch, trank Tee und fing auf ein Mal an lauthals uralte Volkslieder anzustimmen… nach 6 oder 7 Wörter sangen oder summten die Esten immer das nach was der Mann vorne sang… danach erzählte irgendjemand aus dem Publikum was… dann redeten die beiden Männer… dann sangen sie wieder… dann gingen ein paar raus, ein paar Neue kamen hinzu, dann ging das Singen wieder los… und dann erzählte wieder irgendjemand irgendetwas. Später habe ich dann mit einem mir sehr symathischen estnischen Sound Engineer gesnakkelt und erfahren, dass das ganze mehr oder weniger eine lockere, offene Zusammenkunft ist, auf dem man einfach hin und wieder singt, Tee trinkt und sich was erzählt. Wir haben natürlich auch zwei estnische Studentinnen kennen gelernt, die wir ab sofort (zusammen mit dem sound engineer) zu unseren Freundinnen zählen und die auch nicht jedes Wort beim Singen versta
nden haben (es muss sich also um seeeeeehr alte Volksweisen gehandelt haben). Auf jeden Fall war es urgemütlich, nur eben ein wenig „seltsam".
A propos „seltsam": Die Esten sind die Weltrekordhalter im Schaukeln (7,02m der Este und 5,86m die Estin). Die Schaukeln sind hier aber auch eher zum Stehschaukeln gedacht (könnt ihr unten auf dem Photo sehen)… Es gibt hier auch Schaukelmeisterschaften, bei denen man sich an diesen Schaukeln festschnallt und sich versucht mehrere Male zu überschlagen. Mich persönlich hat schon das Schaukeln darauf viel zu sehr an die Schiffsschaukel im Heide Park erinnert.
Nun aber wieder zu den wirklich wichtigen Dingen: Ich wohne in Viljandi (Südestland) – und ich könnte mir einfach keine schönere und gemütlichere (im positiven Sinn gemeinte) estnische Stadt vorstellen: so eine Mischung aus Bullerbü, Gleidingen und Neubrandenburg. ^^ Da hier die Kulturakademie (eine Außenstelle der Uni Tartu) ist, und es daher auch so eine Art Mini-Studentenstadt ist, wird uns hier auch nicht so schnell langweilig… am Mittwochabend waren wir erstmal mit den beiden Studentinnen, die wir am Montagabend beim Singen kennen gelernt hatten, in der Liverpoolbar verabredet (dort finden im Winter zweimal die Woche Jazzkonzerte statt). Viljandis Innenstadt ist so eine Mischung aus Bullerbü und Gleidingen. Patrice, Inga und ich wohnen 20min Fußweg vom Stadtzentrum in einem Plattenbau… ABER(!!!) und ich glaube, dass das sehr wichtig ist um Estland wie ich es bisher kennen gelernt habe zu verstehen: der erste Blick sagt eigentlich gar nichts aus. Unsere Wohn
ung besteht aus einem orangen Flur, einer grünen Küche, einem rosa (hygienisch-sauberen!!!^^) Marmorbadezimmer (inkl. funktionierender Waschmaschine), einem grünen Zimmer (für Inga) und einem alles andere als engen Zimmer für Patrice und mich (inkl. Fernseher und Internetanschluss – leider haben wir hier noch kein W-LAN). Der Flur und die beiden Zimmer haben dann auch noch Laminat… :-) Und ganz wichtig: die Heizung funktioniert! Wir haben hier nämlich so um die 7 Grad… und mir wird langsam kalt. Zwei Minuten vor unserer Haustür ist dann der Viljandisee, der im Winter hin und wieder vollständig zugefroren ist, was die Esten dann natürlich dann wieder dazu verführt, sich neue Sportarten auszudenken. Ach ja: es gibt hier auch eine Skisprungschanze (ca. 50m lang)… so viel zum estnischen Flachland… ist nämlich ziemlich hüglig hier. Um Viljandi herum bzw. ab dem See ist dann erstmal für gaaaaaaanz lange Zeit Natur pur. Wir haben auch unser eigenes – ich um
schreibe es jetzt mal metaphorisch – „Fahrrad", das bei jedem Tritt seine letzten noch verbliebenen Schrauben verlieren zu scheint und entsprechend knarscht. Und wenn man jetzt berücksichtigt, dass es hier nicht nur Berg auf Berg ab geht, sondern die Straßenverhältnisse sich am Besten mit „Miniaturausgabe der Alpen" beschreiben lassen, vollbringt dieses Fahrrad (das natürlich weder Licht noch Klingel noch Bremse) hat wahre Meisterleistungen. Natürlich kann man mit dem Fahrrad bremsen… nur eben nur mit der Rücktrittbremse… und das auch leicht Zeit verzögert. A propos Zeit verzögert (ich liebe Überleitungen! :-)), wir gehen jetzt zum Pastaessen von Valentina (der italienischen Freiwillige), mein Franzose kommt auch^^ Muss also wieder los… Tut mir Leid, dass ich euch nicht so oft schreibe, aber wir sind gerade immer wieder irgendwo unterwegs und es gibt hier auch wirklich was kennen zu lernen, weshalb es mir immer noch schlicht und ergreifend sehr gut g
eht und ich gerade rundum glücklich bin. (Bullerbü + rosa Marmorbadezimmer + meine Arbeit + meine Kollegen + estnische Sprache + eigener Fernseher mit französischen, englischen, russischen und deutschen Kanälen + Mini-Studentenstadt + französische und italienische Freiwillige + meine Mitbewohner + Natur + ein Pastor bzw. mein Mentor, der mir jetzt schon angeboten hat, beim Gottesdienst das Abendmahl auszuteilen und bei den Konfirmandengruppen mitzuhelfen: dazu beim nächsten Mahl mehr + so viel mehr = :-)!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!)
Ganz viele liebe Grüße bzw. Tervitus (estnisch für „Grüße"),
Fabian
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3 Kommentare:
Hallo Fabian :)
Schön, das Dir in Viljandi Gefällt :)
Übrigents - Du bist die Nachtbar meines Vaters :)
Und hier auch meine Frage - hattest Du lust mit mir am Sonnabent dreffen? Beschtümmte Zeit kann ich jetzt nicht geben, weil ich Wochne und Arbeite seit 5 Jahren in Tallinn, aber ich pläne in Wochenende in Viljandi kommen :)
Ich war 2 Monate "Freiwillige" in Deutschland in Jugendbereich und Kinderschutz in Dirkow, Rostock (2006). Villeicht haben wir über Jugendarbeit etwas zu reden :)
Grüsse aus Tallinn!
Siret
(Ich hoffe, das Rocky - der hund - Deine ruch nicht sehre stört :) )
Tere!
Meeleltult vahva! Wenn man mit so einem blog alles erreicht... :-) Leider weiß ich nicht, wann wir am Samstag bzw. Sonntag da sind. Wir bekommen nämlich Besuch von anderen Freiwilligen aus Voru und vielleicht auch aus Tallinn... werden mit ihnen dann vielleicht in die Stadt oder auf eins der Konzerte gehen. Aber klopf einfach an, wenn du deinen Vater das nächste Mal besuchst! Vielleicht kannst du auch deine email Adresse in unseren Postkasten stecken, dann können wir auch so versuchen uns mit dir zu verabreden.
Nägemiseni, Fabian
Tere taas, Fabian!
Aitah for the comment as well.
Unfortunately I'm not coming back before the end of August 2009, BUT returning for four days in February cos I am organizing a theatre festival in Academy.. Let you know if it's possible to meet (although I'm quite busy).
I might write posts in English from time to time, especially when I know people not Estonian are reading.
:)
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